Good-Practice-Kriterien: Von der Theorie zur Praxis – vor Ort nachgefragt
Ein Interview der KGC Sachsen mit einer Lernwerkstatt-Teilnehmerin
Die zwölf Kriterien guter Praxis – kurz Good-Practice-Kriterien – des bundesweiten Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit unterstützen die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und geben einen Orientierungsrahmen für Maßnahmen und Projekte.
Seit diesem Jahr 2021 findet in Sachsen die dazugehörige Lernwerkstatt zur Einführung in die Good-Practice-Kriterien und deren Anwendung auch online statt. Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Sachsen hat mittlerweile vier digitale Lernwerkstätten ausgerichtet. Der Kreis an Teilnehmerinnen und Teilnehmern war fachlich sehr vielfältig – sie kamen von der Landes- über Landkreis- bis hin zur Gemeindeebene, aus öffentlicher oder freier Trägerschaft, und hatten Bezug zu verschiedensten Lebenswelten und Zielgruppen wie Kita, Schule, Familie, Gemeinde, Quartier, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung usw.
Doch wie ergeht es den Akteurinnen und Akteuren nach ihrer Online-Schulung? Denn die Zeit nach einer Lernwerkstatt bedeutet oft: Was nehme ich mit? Und wie kann ich das dort gelernte und erfahrene Wissen in die Praxis umsetzen?
Antje Dribbisch, Gesamtkoordinatorin von der KGC Sachsen, hat sich dazu erkundigt und bei Kristina Schubert nachgefragt, die im Juli 2021 an einer Lernwerkstatt teilnahm.
Kristina Schubert arbeitet beim Verwaltungsverband Wildenstein im Erzgebirgskreis. Sie ist dort unter anderem für das Sachgebiet Prävention verantwortlich. Der Verwaltungsverband Wildenstein (4.310 Einwohner) ist eine kleinere Kommune im ländlichen Raum. Zu den Mitgliedsgemeinden gehören die Gemeinden Börnichen/Erzgebirge und Grünhainichen mit den Ortsteilen Borstendorf, Grünhainichen sowie Waldkirchen/Erzgebirge.
Antje Dribbisch (AD): Herzlich willkommen, Frau Schubert. Schön, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben. Was bewegte Sie dazu, an unserer digitalen Good-Practice-Lernwerkstatt teilzunehmen?
Kristina Schubert (KS): Im Sachgebiet Prävention haben wir als Verwaltungsverband die Gesundheitsförderung mit auf die To-Do-Liste gesetzt. In diesem Rahmen bin ich bei Recherchearbeiten im Internet nach gesundheitsförderlichen Maßnahmen, Unterstützungsmöglichkeiten oder auch Modellprojekten auf die SLfG (Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e. V.) gestoßen. In einem Telefonat mit Ihnen wurde ich auf die angebotene Online-Lernwerkstatt hingewiesen. Das machte mich neugierig, da wir unter anderem eine größere Projektidee im Kopf haben, die wir gern umsetzen möchten.
AD: Gab es für Sie in der Lernwerkstatt einen Schlüsselmoment bzw. eine Übung mit den Good-Practice-Kriterien, wo für Sie „eine Tür aufgegangen“ ist – sogenannte Aha-Momente?
KS: Auf der Gemeindeebene haben wir natürlich eine starke Motivation für den ländlichen Raum etwas Positives bewirken zu können. Wir haben viele Ideen, die wir gern umsetzen würden. Wir sitzen quasi an der Basis, leben selbst hier und wissen, was gebraucht wird. Dabei fehlt es stets an finanziellen Mitteln. Um doch die Möglichkeit einer Förderung in Anspruch nehmen zu können, bedarf es eines ersten großen Schrittes – die Idee konzeptionell auf Papier zu bringen.
Bei einer Übung anhand eines Praxisbeispiels innerhalb des Workshops konnten die Teilnehmenden die Good-Practice-Kriterien genau(er) bestimmen. Interessant dabei war der Spielraum der Deutung bzw. Zuordnung einzelner Punkte zu den jeweiligen Kriterien.
Letztlich gab es diesen Aha-Moment für mich, als ich die spezifischen Begrifflichkeiten – diese sogenannten „Good-Practice-Kriterien“ – kennenlernte. Einige Begriffe kannte ich bereits. Mit der Lernwerkstatt kamen für mich aber noch neue Begriffe und Erkenntnisse dazu.
AD: Was haben Sie von der Lernwerkstatt für sich mitgenommen, das zu einer (direkten) Veränderung oder Umsetzung in Ihrer Arbeit in der Gesundheitsförderung führte?
KS: Da ich nun um die Good-Practice-Kriterien weiß, kann ich diese entsprechend in konzeptionelle Vorschläge bzw. Anträge mit einfließen lassen und diese als Leitfaden bei einem Projektantrag einbinden. Derzeit sind wir dabei, ein Grobkonzept für die Gesundheitsförderung in unserer Gemeinde im ländlichen Raum zu verfassen. Dazu stehen wir durch Ihre hilfreiche Vermittlung auch mittlerweile in Kontakt mit der zuständigen Koordinatorin für Gesundheitsförderung im Landratsamt Erzgebirgskreis. Vielleicht haben wir Glück und unser Konzept kann mit eingebunden werden. Wir sind gespannt.
AD: Mit welchen Herausforderungen sind Sie bei der Umsetzung in die Praxis konfrontiert und was wünschen Sie sich, um ihnen zu begegnen?
KS: Der Bereich der Gesundheitsförderung ist für unsere Gemeinde kein Alltagsgeschäft. Für die Tätigkeit auf dieser Ebene und die damit verbundenen geringen personellen Kapazitäten ist es für uns recht schwierig, alle Projektideen und Maßnahmen gesundheitsförderlicher Art in die Praxis umzusetzen.
Ich wünsche mir, dass wir dahingehend mehr Hilfestellungen erhalten, um Projekte auf den Weg zu bringen. Denn natürlich möchten auch die Menschen, die im ländlichen Raum leben, „Ergebnisse“ sehen. Nichts ist erfrischender und belebender, als wenn sich etwas bewegt, etwas aufgebaut wird, was der Bevölkerung von positivem Nutzen ist. Etwas Greifbares.
Gerade in der Gesundheitsförderung ist es unabdingbar, neue Wege zu beschreiten – vor allem in schwierigen Zeiten, wie einer Pandemie, wo die gemeinschaftliche Gesundheitsförderung nicht in gewohnter Weise stattfinden kann. Da gilt es nach neuen Lösungen zu streben und attraktive Alternativen zu finden.
AD: Wenn Sie an potenzielle Interessentinnen und Interessenten für die Lernwerkstatt denken: Wofür ist die Lernwerkstatt aus Ihrer Sicht am gewinnbringendsten?
KS: Die Lernwerkstatt ist meines Erachtens für die konzeptionelle Darstellung von Projektideen hilfreich, um über diese zwölf Kriterien den Kern einer Maßnahme gezielt(er) zu definieren. Die Good-Practice-Kriterien sind für mich vergleichbar mit einer Art Anleitung zum Aufbau und Reflektieren von eigenen Projekten.
AD: Herzlichen Dank, Frau Schubert, für das Interview. Es freut mich, dass die Good-Practice-Kriterien Ihnen im Verwaltungsverband Wildenstein eine Orientierung und Anleitung beim Entwickeln von eigenen Vorhaben zur Gesundheitsförderung geben, und dass Sie dazu bereits mit dem Landratsamt Erzgebirgskreis im Kontakt stehen. Das stimmt uns zuversichtlich. Sie sind auf einem guten Weg und ich wünsche Ihnen im Namen der KGC Sachsen dabei viel Erfolg.
Neugierig geworden? Sie interessieren sich für unsere Good-Practice-Lernwerkstätten?
Sie möchten die Good-Practice-Kriterien kennen lernen und sich mit anderen Akteurinnen und Akteuren dazu austauschen?
Die nächste landesweite digitale Lernwerkstatt der KGC Sachsen zur Einführung in die Good-Practice-Kriterien findet am 2. Dezember 2021 statt. Interessierte können sich bis zum 19.11.2021 auf der folgenden Internetseite anmelden:
www.p-sachsen.de/event/good-practice-lernwerkstatt
Wir kommen auch gern zu Ihnen!
Wir bieten verschiedene Formate an: digital oder vor Ort (nach aktuellen Maßgaben), sachsenweit oder regional/inhouse, Basis- (Kennenlernen der Kriterien) oder Vertiefungs-Lernwerkstätten zu einzelnen Kriterien (z. B. Partizipation).
Kommen Sie auf uns zu!
Weitere Infos zum Good-Practice-Ansatz: https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/good-practice/
Kontakt:
Koordinierungsstelle für Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Sachsen
c/o Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e. V. (SLfG)
Antje Dribbisch
– KGC-Gesamtkoordination –
Tel.: 0351 501936-52
E-Mail: dribbisch@slfg.de
Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Sachsen ist an die Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e. V. (SLfG) angegliedert. Die Koordinierungsstelle ist Teil des bundesweiten Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit und wird durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Auftrag und mit Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Bündnis für Gesundheit) gefördert.